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Aktuelles

15.04.2016

Keine teilweise Inkraftsetzung von CETA vor Zustimmung durch die Parlamente aller EU-Mitgliedsstaaten!

Beschluss des AsJ-Bundesvorstandes vom 12.04.2016:

Keine teilweise Inkraftsetzung von CETA vor Zustimmung durch die Parlamente aller EU-Mitgliedsstaaten!

Die ASJ fordert die S&D-Fraktion im Europäischen Parlament auf, CETA nicht zu ratifizieren, solange das Abkommen nicht den Anforderungen des Beschlusses des SPD-Parteikonvents und des DGB vom (Herbst) 2014 entspricht und auch einer teilweisen vorgezogenen Inkraftsetzung des CETA-Handelsabkommens mit Kanada nicht zuzustimmen.

Sie fordert die Bundesregierung auf, dem Abkommen nach dem derzeitigen Stand im Europäischen Rat nicht zuzustimmen.

Begründung

In den vergangenen Wochen wurde bekannt, dass Kommission und Teile des Europäischen Parlaments die Absicht haben, diejenigen Teile des Abkommens, die nicht der Zustimmung der nationalen Parlamente unterliegen, bereits inkraft zu setzen, bevor eine Ratifizierung dieses gemischten Abkommens durch die nationalen Parlamente erfolgt ist. Dies sei ein übliches Verfahren und es sei zu erwarten, dass auch der Europäische Rat diesem Verfahren zustimmen werde.

Ein solches Vorgehen wäre, auch wenn es rechtlich zulässig wäre, eine Belastung für das Verhältnis der EU zu den Parlamenten ihrer Mitgliedsstaaten und für das Vertrauen der europäischen Bürgerinnen und Bürger in die Europäischen Institutionen.

Es mag der Üblichkeit entsprechen, gemischte Internationale Abkommen, die nur in Teilen der Zustimmung der nationalen Parlamente der Mitgliedsstaaten bedürfen, nach Zustimmung durch die Europäischen Institutionen in allen Bereichen, die nicht dem nationalen Zustimmungsvorbehalt unterliegen, schon vorläufig, bis zum Vorliegen dieser Zustimmungen inkraft zu setzen.

In Bezug auf die Abkommen CETA und künftig auch TTIP dürfte sich aber bereits rein rechtlich ein erhebliches Streitpotential allein aus der Frage ergeben, welche Teile dem Zustimmungsvorbehalt unterliegen und welche nicht. Dass das so ist, ergibt sich bereits aus der von der Kommissarin Malmström weiterhin aufrecht erhaltenen Behauptung, das gesamte Abkommen falle gar nicht in die nationale Kompetenz. Die Institutionen sind sich inzwischen darüber weitgehend einig, dass es sich nicht lohnt, über diese Rechtsfrage abstimmen zu lassen, weil sie dann mit Sicherheit dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt würde. Eine Anrufung des höchsten Gerichts würde aber das Verfahren prozedural um Jahre verlängern und solange dem Suspensiveffekt aussetzen.

Also besteht überwiegend Einigkeit, das Abkommen den nationalen Parlamenten zur Ratifizierung vorzulegen. Würde das Abkommen nun bereits vorzeitig teilweise inkraft gesetzt, würden sich diese Streitfragen erneut stellen. Neben einigen Bereichen, die sich wohl unstreitig der europäischen Kompetenz zuweisen ließen, würden sich Debatten alleine an der Frage entzünden, über welche Teile der Abkommen auf nationaler Ebene überhaupt noch diskutiert werden darf und welche Teile bereits endgültig durch die europäischen Institutionen entschieden sind. Dies gilt insbesondere dann, wenn nicht nur eine parlamentarische Ratifizierung durch eine öffentliche Debatten begleitet wird, sondern darüber Referenden mit empfehlendem oder sogar beschließendem Charakter abgehalten werden. Auch daraus könnten sich Verfahren vor dem EuGH ergeben.

Ungeachtet dessen wäre es aber eine schwere Belastung für die Achtung der Demokratie in Europa, wenn bei Bürgerinnen und Bürgern der Eindruck entstünde, Entscheidungsvorbehalte in wichtigen, öffentlich debattierten Streitfragen würden ganz oder teilweise durch Verfahren ausgehebelt. Das vermittelt die Bestätigung des Verdachts von Trickserei. Dieser Verdacht ist, soweit erkennbar, völlig unbegründet. Doch zeigt das Erstarken von Nationalismus und Rechtsradikalismus in Europa, dass das Vertrauen viele Bürgerinnen und Bürger in die Institutionen erschüttert ist und sein Fehlen Ansatzpunkte für unzählige Verschwörungstheorien bietet.

Ein weitreichendes, tief in unterschiedliche Lebensbereiche eingreifendes Abkommen wie CETA und TTIP bedarf einer umfassenden öffentlichen Debatte und der Akzeptanz durch die breite Mehrheit insbesondere der kritischen Öffentlichkeit. Diese Akzeptanz kann nicht herbeigeführt werden, wenn man Gegenstände der Abkommen durch Verfahren der Gestaltung oder Veränderung im Ergebnis der öffentlichen Debatte entzieht.

Vertreter des Europäischen Parlaments, insbesondere aus der S&D-Fraktion, haben in zähen Verhandlungen durchgesetzt, dass die in CETA ursprünglich vorgesehenen Schiedsgerichte durch einen Internationalen Handelsgerichtshof ersetzt wurden. Die ASJ begrüßt diesen Erfolg ausdrücklich. Zugleich muss sie feststellen, dass das Abkommen damit aber noch immer nicht den weiteren Kriterien entspricht, die der Konvent der SPD im Herbst 2014 in Abstimmung mit dem DGB besprochen hat. Diese Kriterien gelten auch deswegen für CETA, weil das Abkommen ausdrücklich benannt ist und ein anderes Verständnis dazu führen würde, dass ein soziales und faires TTIP (wenn man es denn erreicht) durch ein mit anderen Bedingungen verabschiedetes CETA unterlaufen werden könnte.

Dabei scheint uns die Verhandlungsbereitschaft der neuen kanadischen Administration kein Hindernis zu sein. Denn die Kriterien des Konventsbeschlusses stehen wohlverstandenen kanadischen Interessen nicht entgegen. Es scheint uns eher auf Seiten der Kommission an der Bereitschaft zu fehlen, das Abkommen sozial und fair auszugestalten.