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Beschlüsse: Arbeitsrecht

Lücken in der Arbeitnehmer-Mitbestimmung schließen!

Beschluss der Bundeskonferenz der ASJ 2016 in Berlin: B 11

Die ASJ fordert,
1. den Anwendungsbereich der Mitbestimmungsgesetze um gewerbsmäßige Stiftungen bürgerlichen Rechts zu erweitern; eine Umgehung der Mitbestimmung durch ausländische Rechtsformen mit Verwaltungssitz im Inland ist zu unterbinden; das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird aufgefordert, zu prüfen, welche Wege der Umsetzung hierfür in Frage kommen;
2. die sog. „Drittelbeteiligungslücke“ zu schließen, also im Drittelbeteiligungsgesetz analog des Mitbestimmungsgesetzes die GmbH & Co. KG aufzunehmen sowie die Mitarbeiter von Tochtergesellschaften der Konzernmutter zuzurechnen;
3. der Europäisierung der Arbeitswelt gebührend Rechnung zu tragen und Konzernmitarbeiter im EU-Ausland für die Berechnung der Schwellenwerte mitzuzählen;
4. effektive Sanktionen für den Fall vorzusehen, dass Unternehmen ihren Verpflichtungen aus den Mitbestimmungsgesetzen zuwiderhandeln; dazu gehören neben der Verhängung von Bußgeldern auch spürbare gesellschaftsrechtliche Folgen.

Begründung:

Die ASJ bekennt sich zur Arbeitnehmer-Mitbestimmung als Teil der sozialen Marktwirtschaft und des deutschen Sozialmodells. Die Mitbestimmung sichert den sozialen Frieden und dient dem Interessenausgleich zwischen Arbeit und Kapital. Unternehmerische Entscheidungen sollen nicht nur der Kapitalgeberseite überlassen werden, sondern unter Beteiligung der betroffenen Beschäftigten getroffen werden. Indem Konflikte nicht durch Zwang, sondern durch Dialog und Mitentscheidung der Betroffenen gelöst werden, verwirklicht sich das demokratische Ideal, dass die Beschäftigten Einfluss auf die sie betreffenden Entscheidungen nehmen können. Dort, wo sich wirtschaftliche Macht konzentriert, ist Kontrolle ein wichtiges Instrument, um Missbrauch zu verhindern. Die Mitbestimmung der Arbeitnehmer ist Teil dieser notwendigen Kontrolle.

Die Arbeitnehmer-Mitbestimmung im Unternehmen ist ein Erfolgsmodell. Damit dies auch so bleibt, sind jedoch einige Anpassungen erforderlich, um entstandene Lücken wieder zu schließen. Die Mitbestimmungsgesetze brauchen ein Update!

Dieses Jahr jährt sich zum 40. Mal die Verkündung des Mitbestimmungsgesetzes (MItbestG). Sein Ziel ist die „gleichberechtigte und gleichgewichtige Teilnahme von Anteilseignern und Arbeitnehmern an den Entscheidungsprozessen im Unternehmen“ (so die Gesetzesbegründung, BR-Drs. 200/74, S. 16). Das MitbestG war seinerzeit hart umkämpft. Die verfassungsrechtlichen Bedenken der Wirtschaftsverbände sowie aus Teilen der Wissenschaft wurden vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zurückgewiesen (BVerfGE 50, 290). Denn anders als von den Beschwerdeführern geltend gemacht verfolge das Grundgesetz keine festgelegte (z. B. kapitalistische) Wirtschaftsform. Die Wirtschaftsordnung des Grundgesetzes sei vielmehr wirtschaftspolitisch neutral. Der Gesetzgeber dürfe daher jede ihm sachgemäß erscheinende Wirtschaftspolitik verfolgen, sofern er dabei das Grundgesetz, insbesondere die Grundrechte beachtet (BVerfGE 50, 290 <338>). Das MitbestG ist somit verfassungskonform.

Allgemein wird der Beginn der deutschen Arbeitnehmer-Mitbestimmung in der Montanindustrie der 1950er Jahre verortet. Regelungen zur Mitbestimmung der Arbeitnehmer finden sich allerdings bereit am Anfang der Weimarer Republik mit dem Betriebsrätegesetz vom 04.02.1920 sowie mit dem Gesetz über die Entsendung von Betriebsratsmitgliedern in den Aufsichtsrat vom 15.02.1922. Bereits damals bestand ein numerus clausus der Rechtsformen. Die Arbeitnehmer-Mitbestimmung kann also in Deutschland auf eine fast 100-jährige Tradition zurückblicken. Und auch nach Auffassung der Bundesregierung „hat sich die Mitbestimmung auf Unternehmensebene bewährt“. Sie sei „ein wesentliches Element der Sozialen Marktwirtschaft“ und habe einen „nicht unerheblichen Beitrag dazu geleistet, dass Deutschland wirtschaftliche Krisen meistern konnte“ (BT-Drs. 18/8354).

Schleichende Erosion der Mitbestimmung

Doch verschiedene Faktoren führen in letzter Zeit vermehrt dazu, dass die Mitbestimmung der Arbeitnehmer auf Unternehmensebene immer löchriger wird. Manche sind bereits in den bestehenden Mitbestimmungsgesetzen angelegt, andere sind eine Folge der fortschreitenden Europäisierung des Rechts. Gleichwohl muss es das Anliegen der Sozialdemokratie sein, bestehende Arbeitnehmerrechte zu verteidigen und ihre tatsächliche Durchsetzung auch rechtlich zu fördern. Die bestehenden Lücken der Arbeitnehmer-Mitbestimmung müssen aus diesen Gründen wieder geschlossen werden. Diese Lücken zeigen sich in Form einer schleichenden Erosion der deutschen Mitbestimmung. Die Zahl der paritätisch mitbestimmten Unternehmen nimmt seit Jahren kontinuierlich ab: 2015 betrug ihre Zahl nur noch 635 (im Vergleich zu 767 im Jahr 2002). Einer Studie zufolge verstoßen zudem 53% der untersuchten Unternehmen im Anwendungsbereich des Drittelbeteiligungsgesetzes (DrittelbG) gegen ihre gesetzliche Pflicht, einen mitbestimmten Aufsichtsrat einzuführen. Des Weiteren steigt die Zahl ausländischer Rechtsformen in Deutschland (z. B. die Limited; Ltd.) kontinuierlich an. Gab es hiervon im Jahr 2005 erst 46 solcher Gesellschaften, betrug ihre Zahl im Jahr 2014 bereits 94. Hinzu kommen weitere 69 ausländische Gesellschaften als Komplementärin einer Kommanditgesellschaft (KG). Entsprechendes gilt für die deutsche Stiftung bürgerlichen Rechts (§ 80 BGB), die in ca. 300 Fällen als Unternehmenssubjekt genutzt wird. Diese Zahlen mögen isoliert betrachtet nicht ins Gewicht fallen. Bezieht man jedoch die Anzahl der betroffenen Arbeitnehmer mit ein, ergibt sich ein anderes Bild: Danach sind die ca. 65.000 Mitarbeiter der Lebensmittelhändler Aldi Nord und Aldi Süd einer Mitbestimmung ebenso entzogen wie die ca. 55.000 Beschäftigten der Edeka-Gruppe oder die 70.000 Arbeitnehmer von Lidl. Konzernmutter ist in jedem dieser Fälle eine Stiftung, die unabhängig vom Überschreiten der Schwellenwerte nicht in den Anwendungs-bereich der Mitbestimmungsgesetze fällt. Aber auch die ca. 16.000 Mitarbeiter der C&A Mode GmbH & Co. KG haben kein Mitbestimmungsrecht. Denn anders als der Name vermuten lässt, handelt es sich bei ihrem Arbeitgeber um eine Gesellschaft schweizerischen Rechts als Komplementärin einer deutschen KG. Die ca. 14.000 Beschäftigten des Konkurrenten H&M sind bei einer Besloten vennootschap, also einer niederländischen Gesellschaft, als Komplementärin einer deutschen KG angestellt.

Entzug der Mitbestimmung durch Rechtsformwahl

Die soeben vorgezeichnete Lücke in der Arbeitnehmer-Mitbestimmung ist einerseits eine Folge der zunehmenden Europäisierung des Rechts, andererseits Folge einer „Umwidmung“ des ursprünglichen Stiftungsgedankens in eine Unternehmensstiftung. Beide Konstruktionen ? Stiftung als auch ausländische Rechtsform (ggf. in einer KG) ? fallen nicht in den Anwendungsbereich der Mitbestimmungsgesetze. Das MitbestG erfasst nur die deutschen Rechtsformen Aktiengesellschaft (AG), Kommandit-gesellschaft auf Aktien (KGaA), die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) und die Genossenschaft (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 MitbestG) sowie eine entsprechende Konstruktion in einer KG (§ 4 MitbestG). Die deutsche Stiftung fällt nicht darunter.

Das Vordringen ausländischer Rechtsformen ist durch einen Wandel im Gesellschaftsrecht beeinflusst worden. Früher galt die sog. „Sitztheorie“, d.h. es war das Recht des Staates anzuwenden, in dem die Gesellschaft ihren Verwaltungssitz hat bzw. ihre Geschäftstätigkeit ausübt. Infolge der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs wird heute allerdings aus Gründen des Binnenmarkts, namentlich der Dienstleistungsfreiheit, die sog. „Gründungstheorie“ angewandt. Danach kommt es allein auf das Recht des Staates an, in dem die Gesellschaft gegründet wurde ? unabhängig davon, ob die Gesellschaft dort überhaupt eine Geschäftstätigkeit ausübt. Die Folge sind „Scheinauslandsgesellschaften“, deren Beschäftigten ihr Mitbestimmungsrecht faktisch entzogen wird.

Gleich welche Motive hinter der Wahl einer ausländischen Rechtsform oder der einer deutschen Stiftung stecken mögen, ist es aus Gründen der Rechtssicherheit und des Gleichheitsgebots angezeigt, den Sonderstatus dieser Beschäftigten zu beenden und ein einheitliches Mitbestimmungsrecht für sämtliche Beschäftigten unabhängig von der Rechtsform ihres Arbeitgebers zu schaffen. Dies ist ? wie die Biedenkopf-Kommission und Stimmen aus der Rechtswissenschaft zeigen ? auch unionsrechtlich zulässig.

Drittelbeteiligungslücke

Neben dem MitbestG, das ab mehr als 2.000 Beschäftigten Anwendung findet, gibt es das Drittelbeteiligungsgesetz (DrittelbG), das für Unternehmen mit mehr als 500 bis 2.000 Beschäftigten gilt. Anders als das MitbestG erfasst das DrittelbG nicht die GmbH & Co. KG. Ebenso wenig werden Arbeitnehmer von Tochtergesellschaften der jeweiligen Konzernmutter zugerechnet (vgl. dagegen § 5 MitbestG). Eine Mitbestimmung ist dadurch ausgeschlossen, selbst wenn der Konzern nahezu 2.000 Mitarbeiter zählt. Dieser Systembruch ist sachlich nicht gerechtfertigt. Erforderlich ist vielmehr ein in sich konsistentes System der Arbeitnehmer-Mitbestimmung, das die eben beschriebenen Unstimmigkeiten beseitigt.

Europäisierung der Arbeitswelt

Aktuell liegt dem Europäischen Gerichtshof die Frage vor, ob Beschäftigte deutscher Unternehmen im EU-Ausland bei der Berechnung der Schwellenwerte mitzuzählen sind. Dies hätte enorme Auswirkungen und würde für viele Unternehmen erstmals eine Mitbestimmungspflicht bedeuten. Unabhängig vom Ausgang dieses Rechtsstreits erscheint es jedoch angesichts der Europäisierung der Arbeitswelt widersinnig, rechtlich bei innereuropäischen Grenzen Halt zu machen. Es ist daher anzustreben, die Mitarbeiter im EU-Ausland in den Anwendungsbereich der Mitbestimmungsgesetze mit einzubeziehen. Konsequenterweise ist ihnen dann auch das passive und aktive Wahlrecht einzuräumen.

Effektive Sanktionen

Der deutsche Corporate Governance Kodex oder der Gedanke einer „corporate social responsibility“ können nicht durchgängig gewährleisten, dass bestehende gesellschaftsrechtliche Pflichten ? wie die Arbeitnehmer-Mitbestimmung ? befolgt werden. Einer Studie zufolge missachten 56% der untersuchten GmbHs ihre Pflicht zur Schaffung eines drittelbeteiligten Aufsichtsrats. Dies stellt zwar eine Pflicht-verletzung der Geschäftsführung dar. Effektive Sanktionen dieses Verhaltens sind hingegen leider eher theoretischer Natur. Dieser Praxis der „non-compliance“ ist daher mit effektiven Sanktionen entgegenzuwirken.

Lücken in der Arbeitnehmer-Mitbestimmung schließen!

Finger weg vom Streikrecht !

Beschluss der AsJ-Bundeskonferenz vom 15. - 16. November in Berlin: B I 5

Der Eingriff in die Koalitionsfreiheit - insbesondere in das Streikrecht – ist ein massiver Einschnitt in die gewerkschaftliche Arbeit. Dieser darf nicht durch eine sozialdemokratische Arbeitsministerin durchgeführt werden. Wir fordern daher die SPD-Minister im Bundeskabinett als auch die SPD-Bundestagsfraktion auf, den aktuellen Gesetzentwurf für ein Tarifeinheitsgesetz zurückzuziehen, um die kollektiven Arbeitnehmerrechte nicht zu schwächen!

Begründung:

Der Koalitionsvertrag zwischen SPD und CDU/CSU sieht vor, dass zur Regelung der Tarifbedingungen wieder zur Tarifeinheit (also nur ein Tarifvertrag in einem Betrieb) zurück gekehrt werden soll und entsprechende gesetzliche Grundlagen geschaffen werden sollen. Ursprünglich ist dies eine Forderung des Arbeitgeberlagers, dass von den großen Gewerkschaften, vor allem dem DGB aber auch Ver.di unterstützt wurde. Ausgangspunkt der Debatte um die Tarifeinheit, die in der arbeitsrechtlichen Community schon seit langem geführt worden ist, die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts 2010, das die bisherige Rechtsprechung zur Tarifeinheit aufgegeben hat. Die Reaktion – vor allem durch die gemeinsame Erklärung des BDA und des DGB hat insofern erschreckt, weil hier ein Schulterschluss geübt wurde, mit unterschiedlichen Interessenslagen. Insofern war es 2011 auch vom DGB konsequent, diese Verbindung wieder zu verlassen.

Es gibt sicherlich gute Gründe, eine Tarifeinheit zu fördern, vor allem um übermäßig viele Streiks zu verhindern. Aber der überwiegende Teil dieser guten Gründe stammen aus dem Arbeitgeberlager mit entsprechender Zielrichtung. Dabei werden vor allem vom Arbeitgeberlager die funktionssichernde bzw. ordnungssichernde Aufgabe der Tarifeinheit angebracht. Diese Sicherungsfunktion geht aber mit einem erheblichen Eingriff in die individuelle und kollektive Koalitionsfreiheit einher, der gewerkschaftliche Betätigung in ihrer Grundform einschränkt. Es wird deutlich, dass die Interessen des Arbeitgeberlagers an einer Tarifeinheit nicht im Einklang mit unserer gewerkschaftlichen Tradition der Beteiligung und Mitbestimmung stehen. Viele der angeführten Argumente führen dazu, Arbeitgeberinteressen scharf durchzusetzen und dabei gewerkschaftliche Tätigkeit einzuschränken. Letztlich besteht die Gefahr, dass durch eine solche gesetzliche Regelung die Beschäftigungsbedingungen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern eingeschränkt wird. Die Tarifeinheit ist ein scharfes Schwert, welches in die Hände von Arbeitgebern dazu genutzt werden kann, gewerkschaftliche Tätigkeit als pluralistische Interessenvertretung und demokratische Willensbildung einzuschränken, zur Sicherung der Eigentümerinteressen, der Shareholder und des Aktienkurses. Wir sehen es aktuell bei tariflichen Auseinandersetzungen, dass regelmäßig vom Arbeitgeberlager versucht wird, die Durchsetzung von Tarifforderungen durch Streik per einstweiliger Verfügung zu verhindern - ein Durchsetzungsmittel, welches bei einer Tarifeinheit sehr wirkungsvoll gegen Arbeitnehmerinteressen eingesetzt werden könnte.

In verfassungsrechtlicher Hinsicht verstößt eine Tarifeinheit gegen das Koalitionsgrundrecht aus Art. 9 Abs. 3 GG.
Ein solcher Ansatz verhindert, dass Minderheitsgewerkschaften jemals relevant werden können, weil sie jeder effektiven Interessenwahrnehmung beraubt sind. Das Monopol der jeweiligen Mehrheitsgewerkschaft wird damit zementiert, wobei in vielen Betrieben keine deutlichen Mehrheiten für die eine oder andere Gewerkschaft zu sehen ist. Die bisher im arbeitsrechtlichen Schrifttum vorgeschlagenen Regelungen sind daher keine zulässige Ausgestaltung des Koalitionsgrundrechts, sondern ein auch vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht zu rechtfertigender Eingriff. Die bislang vorgeschlagenen Regelungen würden es sogar zulassen, etablierte DGB-Gewerkschaften, die in dem Betrieb den Status einer Minderheitengewerkschaften haben, zur Disposition des jeweiligen Arbeitgebers zu stellen, so dass sich der Arbeitgeber – verfassungsrechtlich unzulässig – die ihm genehme Gewerkschaft aussuchen könnte. Bei mehreren im Betrieb vertretenen Gewerkschaften darf nicht eine „Zwangstarifgemeinschaft“ verlangt werden. Auch das wäre eine Verletzung des Art. 9 Abs. 3 GG.

Wenn behauptet wird, durch Tarif- und Gewerkschaftspluralität werde ein Chaos durch sich häufende Arbeitskämpfe entstehen, so überzeugt dies nicht. Die tatsächliche Entwicklung belegt dies eindeutig nicht – weder in Großbritannien noch hier.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Arbeitgeberlager zum Teil bewusst diese Arbeitskämpfe durch die Strukturierung der Betriebe heraufbeschwört. So war es bislang beispielsweise im Luftverkehr. Es ist vielfach nicht im Interesse des Arbeitgeberlagers steht, mit der gesamten Belegschaft zu verhandeln. Es werden bewusst Gruppen ausgegrenzt, um mit anderen, privilegierteren Gruppen, Einigungen zu erzielen - auch um das entsprechende Personal zu halten. Darüber hinaus ist das Gebilde Flughafen durch unterschiedlichste Arbeitgebergruppen vertreten, angefangen beim Reinigungspersonal, Bodenpersonal, Sicherheitspersonal bis hin zu den Flugbegleitern und den Piloten. Der aktuelle Streik von ver.di am Frankfurter Flughafen am 21.02.2014 hat deutlich gemacht, dass auch nur eine der Personalgruppen ein Gesamtgebilde lahm legen kann, auch durch eine Mehrheitsgewerkschaft, die hier Partikularinteressen verfolgt. Genau das ist aber eines der wenigen Durchsetzungsmittel, mit denen Gewerkschaften ihre Tarifforderungen durchsetzen können. Beraubt man diese derer, bleibt ein tarifliches Missverhältnis mit einer eindeutigen Benachteiligung des Arbeitnehmerlagers übrig. Es ist aber nicht im Arbeitgeberinteresse, mit allen gemeinsam zu verhandeln. Vielmehr sollen die Gewerkschaften mit einer Tarifeinheit „an die Kette gelegt werden“. Das darf nicht durch eine sozialdemokratische Arbeitsministerin geschehen, ebenso wenig, dass die Arbeitnehmerseite gezwungen wird, z.B. Tarifgemeinschaften zu bilden, der Arbeitgeberseite jedoch ermöglicht wird, durch Struktur des Unternehmensgebilde Verhandlungssituationen zu schaffen, die sie selbst bevorteilen. Im Umkehrschluss müssten auch die Arbeitgeber in Gemeinschaften gezwungen werden, um eine Waffengleichheit zu erreichen. Ebenso wenig können Zwangsschlichtungen helfen, die letztlich massiv in die Koalitionsfreiheit und damit verbundene Tarifverhandlungsfreiheit eingreift.

Zu berücksichtigen ist zudem, dass schon bisher vielfach in einem Betrieb nicht durchgehend nur ein Tarifvertrag Anwendung fand. So war es oft gerade das Ziel arbeitgeberseitig betriebener Ausgliederungen, bestimmte Teile eines Betriebes, etwa die Reinigung, Küche oder wie oben erwähnt die Sicherheit auszugliedern, um in den Anwendungsbereich günstigerer Tarifverträge zu gelangen. Auch die konzerninterne Arbeitnehmerüberlassung erfolgte mit dem Ziel, abweichende Tarifregelungen für diesen Teil der Beschäftigten in Kraft zu setzen. Durch diese Aktivitäten ist von dem angeblich geltenden Prinzip der Tarifeinheit in der Praxis ohnehin nicht viel übrig geblieben. Hinzu kommt, um im Beispielsbereich Luftverkehr zu bleiben, dass die Sicherheit sowohl am Boden als auch der Fluglotsen aus der hoheitlichen Aufgabe in die privatrechtliche überführt wurde. Ein Ergebnis dieser Privatisierung ist eben auch der Arbeitskampf.

Finger weg vom Streikrecht !

Arbeitnehmerdatenschutz endlich regeln - ein hohes Schutzniveau in Deutschland

Beschluss der Bundeskonferenz der ASJ am 15. – 16. September 2012 in Berlin: B 6

Die ASJ fordert, in einem Arbeitnehmerdatenschutzgesetz endlich einen umfassenden Schutz des informationellen Selbstbestimmungsrechts sowie der Persönlichkeits- und Freiheitsrechte von Arbeitnehmern umzusetzen.

Der von der Europäischen Kommission vorgelegte Entwurf einer Europäischen Datenschutzgrundverordnung ist hierbei zu berücksichtigen. Bundesregierung und Europäisches Parlament sind aufgerufen, vor Beschlussfassung über die Datenschutzgrundverordnung dafür Sorge zu tragen, dass

• das mit ihrem Inkrafttreten das in der EU geltende, einheitliche Datenschutzniveau in allen Mitgliedstaaten zu einer Verbesserung der Rechtslage führt und daher für Arbeitnehmer das derzeit in Deutschland geltende, verbesserungsbedürftige Schutzniveau nicht abgesenkt wird,
• die dem nationalen Gesetzeber im Bereich des Arbeitnehmerdatenschutzes belassenen Spielräume durch delegierte Rechtsakte der Kommission nicht zu Lasten der Beschäftigten beschränkt werden und
• die Schwellenwerte für die Bestellung betrieblicher oder behördlicher Datenschutz-beauftragter den positiven Erfahrungen deutscher Unternehmen mit dem Modell innerbetrieblicher Eigenkontrolle des Datenschutzes angepasst werden und für besonders datenschutzkritischen Kerntätigkeiten (z. B. bei Auskunfteien, Detekteien, Call-Centern) auf Schwellenwerte verzichtet wird.

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung vom August 2010 bedarf darüber hinaus wesentlicher Änderungen und Ergänzungen, die auch für die europäische Regelung gelten müssen:

• Videoüberwachung am Arbeitsplatz ist grundsätzlich auszuschließen und nur in im Einzelfall begründeten Ausnahmefällen zuzulassen. Dabei darf eine Kontrolle oder Überwachung des Verhaltens von Arbeitnehmern ohne konkreten Verdacht einer Straftat nicht als Begründung herangezogen werden. Eine Ausdehnung der Möglichkeiten von Videoüberwachung gegenüber der bisherigen Rechtslage ist abzulehnen, weil sie als Verstoß gegen das Gebot der Achtung der Menschenwürde verfassungs-widrig ist. • Anlasslose Screenings, wie sie bei der Deutschen Bahn zum Skandal geworden sind, dürfen keinesfalls legitimiert werden.
• Die derzeitigen Beschränkungen beim Fragerecht des Arbeitgebers bei Einstellung und im Arbeitsverhältnis müssen erhalten bleiben.
• Die Mitbestimmungs- und Kontrollmöglichkeiten der Betriebs- und Personalräte bei der Verarbeitung personenbezogener Beschäftigtendaten sind zu stärken.
• Von dem Arbeitgeber rechtswidrig beschaffte Daten dürfen in Streitigkeiten der Arbeitsgerichtsbarkeit nicht zu Lasten der Arbeitnehmer verwendet werden.

Begründung:

Faire Arbeit bedeutet auch wirksamen Arbeitnehmerdatenschutz. Der ursprünglich von Bundesarbeitsminister Olaf Scholz 2009 vorgelegte Entwurf eines Gesetzes zum Arbeitnehmerdatenschutz trug dem Umstand Rechnung, dass in den vorangegangenen Jahren u.a. bei den Einzelhandelsketten Lidl, Aldi und Schlecker sowie bei den Unternehmen Telekom und Deutsche Bahn Übergriffe auf Arbeitnehmerrechte durch Videoüberwachung, Screening, missbräuchliche Datenerhebung und rechtswidrige Praktiken bei der Einstellung von Arbeitnehmern gekommen war, wie die Arbeitsgerichte festgestellt hatten.

Der ursprüngliche Entwurf wurde durch die schwarz-gelbe Koalition zunächst nahezu in sein Gegenteil verkehrt, dann aber auf erheblichen öffentlichen Protest der Tarifpartner und der Opposition im Bundestag nachgebessert. Doch gibt es weiterhin erhebliche Kritik, die eine Verschlechterung gegenüber dem Status quo befürchten lässt, der zum Teil durch die Rechtsprechung abgesichert ist.

In dieser Situation hat EU-Kommissarin Viviane Reding den Entwurf einer Datenschutzgrundverordnung vorgelegt, der in seiner Tragweite und Regelungstiefe weit über das hinausgeht, was die EU in diesem Bereich bisher geregelt hat. Hier ist zu-nächst zu prüfen, ob es Aufgabe der Kommission ist, im Bereich des Datenschutzes nationales Recht weitgehend durch europäisches Recht zu ersetzen. Wenn bezogen auf Datenschutz in der EU nicht nur ein verbindlicher Rahmen, sondern explizit gleiches Recht gelten soll, muss dringend darauf geachtet werden, dass die in Deutschland geltenden Standards für Datenschutz und andere Freiheitsrechte nicht unterlaufen werden. Mangelnder Datenschutz darf kein Wettbewerbsfaktor werden, aber Datenschutz darf für ein gleichmäßiges Niveau auch nicht abgesenkt werden.

Auch der Entwurf der Bundesregierung darf so, wie er vorliegt, weder in europäisches, noch in nationales Recht umgesetzt werden. Denn insbesondere die im Antragstext genannten Nachteile blieben erhalten; es hat den Anschein, als sollte in Teilbereichen eine Praxis, die gerichtlich als rechtswidrig erkannt worden war, zumindest für die Zukunft legitimiert werden.

Das gilt für u.a. Videoüberwachung und Screenings, aber auch für die Bedingungen für den Umgang mit Arbeitnehmerdaten bei Einstellung. Die persönliche Zustimmung durch den betroffenen Arbeitnehmer, dass der Arbeitgeber auf seine im Internet oder anderswo verfügbaren Daten zugreifen darf, ersetzt nicht die Regelung einer klaren gesetzlichen Grenze für eine solche Praxis. Diese Grenze darf auch nicht durch Dienst- oder Betriebsvereinbarungen unterlaufen werden können. Die wenigsten Personal- und Betriebsräte werden sich Forderungen nach solchen Vereinbarungen dauerhaft entziehen können. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind überhaupt nicht in der Lage, die Erlaubnis zu ansonsten unrechtmäßiger Datenerhebung zu verweigern, wenn sie ein Interesse am Zustandekommen oder am weiteren unbelasteten Fortbestand ihres Arbeitsvertrages haben. Unruhe in den Betrieben und die Gefährdung des sozialen Friedens wären programmiert.

Arbeitnehmerdatenschutz endlich regeln - ein hohes Schutzniveau in Deutschland

Mindestlohn für Arbeit im öffentlichen Bereich einführen!

Beschluss der AsJ - Bundeskonferenz vom 15. - 16. September 2012: B 8

Die politisch Verantwortlichen der SPD im Bund und den Ländern werden aufgefordert, die rechtlichen Voraussetzungen, soweit dies noch nicht geschehen ist, zu schaffen,

  1. um bei den Beschäftigten der öffentlichen Verwaltungen, den öffentlichen Unternehmen und Einrichtungen sowie nach Möglichkeit bei den Zuwendungs- und Förderempfängerinnen und -empfängern, die Unterschreitung eines Mindestlohnes von 8,50 Euro pro Stunde zu verhindern und
  2. um öffentliche Aufträge zukünftig grundsätzlich nur an solche Unternehmen zu vergeben, die ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mindestens einen Lohn von 8,50 Euro pro Stunde zahlen.
  3. Zugleich sind eine ausreichende Aufsicht und Kontrolle der Umsetzung dieses Mindestlohnes – auch bei Einschaltung von Subunternehmern – sowie gegebenenfalls eine Ahndung von Verstößen zu gewährleisten.

Begründung:

Die Forderung „Gerechter Lohn für Arbeit“ ist zentraler Bestandteil unserer Kampagne „Gute Arbeit“. Die SPD fordert, dass der gesetzliche Mindestlohn von 8,50 Euro kommen muss. Lohndrückerei darf sich nicht auszahlen. Öffentliche Auftraggeber müssen daher mit gutem Beispiel vorangehen.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) fordert gesetzlich festgeschriebene Arbeitsentgelte, die Beschäftigten als Minimum zustehen. Das Arbeitseinkommen kann als Stundenlohn oder monatliches Entgelt festgelegt sein. Um „Armut trotz Arbeit“ zu verhindern wird daher gefordert, dass Mindestlöhne eine bestimmte Höhe nicht unterschreiten dürfen. Im Rahmen seiner Mindestlohnkampagne hat der DGB die Forderung „Kein Lohn unter 8,50 Euro pro Stunde“ aufgestellt.

Einige Bundesländer haben bereits Regelungen getroffen, mit denen zum einen Arbeitsverhältnisse im öffentlichen Dienst und zum anderen die Vergabe von öffentlichen Aufträgen an die Berücksichtigung von sozialen Standards vorgesehen ist. Solche Kriterien sind sog. Tariftreueerklärungen für Tarifverträge nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz, ein vergabespezifischer Mindestlohn, die Berücksichtigung der ILO-Kernabkommen sowie sonstige soziale Kriterien (für eine Übersicht vgl.: http://www.boeckler.de/pdf/wsi_ta_tariftreue_uebersicht.pdf).

Ein Bruttolohn von 8,50 Euro pro Stunde ergibt bei einer Vollzeitbeschäftigung mit 38,5 Stunden pro Woche ein Brutto-Monatsgehalt von wenig über 1.300 Euro. Dieser Mindestlohn ist in den meisten Bundesländern, die bereits entsprechende vergaberechtliche Regelungen getroffen haben, vorgesehen.

Die Verpflichtung von Arbeitgebern und Auftragnehmern öffentlicher Ausschreibungen auf diesen Mindestlohn ist ein weiterer Schritt zur Einführung eines verbindlichen gesetzlichen Mindestlohns. Es ist zugleich ein Beitrag zur Gleichberechtigung von Frauen und Männern, da im Niedriglohnsektor in Deutschland deutlich mehr Frauen als Männer arbeiten. Damit die Umgehung der gesetzlichen Regelungen verhindert werden kann, ist vorzusehen, dass diese auch für eventuell durch Arbeitgeber oder den Auftragnehmer eingesetzte Subunternehmer zu berücksichtigen sind. Ferner sind Regelungen zu schaffen, die es ermöglichen, im Rahmen von Aufsicht und Kontrolle durch die öffentlichen Auftraggeber, Verstöße gegen die zugesagte Einhaltung des Mindestlohns zu ahnden.

Wir können damit in den Bundesländern deutlich machen: Überall, wo wir es heute schon können, setzen wir auf den gesetzlichen Mindestlohn von nicht weniger als 8,50 pro Stunde für Arbeit.

Mindestlohn für Arbeit im öffentlichen Bereich einführen!

Arbeitnehmerdatenschutz – Datensammelwut einschränken und Missbrauch konsequent verfolgen

Beschluss der AsJ - Bundeskonferenz vom 25. September 2010: A 6

Der Arbeitnehmerdatenschutz ist unter den nachfolgenden Prämissen klar gesetzlich zu regeln:

1. Die Verletzung des Datenschutzes als Teil der Persönlichkeitsrechte der abhängig Beschäftigten ist gegenüber den handelnden Personen, den beteiligten Unternehmen und ihren Organen adäquat zivilrechtlich wie auch strafrechtlich zu sanktionieren.

2. Die gezielte Beobachtung und Überwachung von Beschäftigten am Arbeitsplatz ist auf das für den Betriebsablauf notwendige zu beschränken und unter Erlaubnisvorbehalt zu stellen. Die Beobachtung der Beschäftigten und deren Überwachung im Privatbereich sind grundsätzlich zu verbieten.

3. Bei der Bearbeitung von elektronischen Daten ist der Zugriff auf personenbezogene oder beziehbare Nutzerdaten von Beschäftigten auf den betriebsnotwendigen Nutzungszweck zu beschränken. Der Nutzungszweck der Erhebung, Speicherung und Verarbeitung von Daten ist im Vorhinein klar definiert zu bestimmen und zu dokumentieren. Generalisierte Einwilligungen von Beschäftigten in eine darüber hinaus gehende Nutzung sind unzulässig.

4. Die Erhebung, Speicherung und Verarbeitung sowie auch sonstige Nutzung von personenbezogenen Daten der Beschäftigten sind organisatorisch von personbezogenen Daten dieser Personen außerhalb ihrer Beschäftigteneigenschaft – beispielsweise als Kunden – zu trennen. Ein Zugriff personalverantwortlicher Personen oder Stellen auf den Gesamtdatenbestand ist zu untersagen.

5. Die Weitergabe von Daten sowohl durch das Unternehmen wie auch die Beschäftigten im Gemeinwohlinteresse zur Vermeidung von konkreten Gefahren für Leib, Leben und Gesundheit, in den Fällen schwerwiegender Vergehen oder Verbrechen ist klar zu regeln. Zum Schutz der Beschäftigten ist ein Maßregelungsverbot festzuschreiben.

6. Zum Schutze der Beschäftigten sind Unternehmen verpflichtet im Falle der Nutzung der Dienste Dritter die obigen Standards vertraglich und organisatorisch sicherzustellen sowie zu überwachen. Im Falle eines dringenden Verdachts eines Verstoßes gegen Arbeitnehmerdatenschutz obliegt dem Unternehmen die vollständige Informationspflicht einschließlich der Offenlegung der Vertragsbeziehung zum Dritten, der organisatorischen Abwicklung und der Überwachung.

7. Die Stellung des betrieblichen Datenschutzbeauftragten ist zu verbessern, er ist vor Maßregelungen und vor nicht gerechtfertigten Kündigungen zu schützen. Die betriebliche Mitbestimmung beim Datenschutz ist zu stärken.

Arbeitnehmerdatenschutz – Datensammelwut einschränken und Missbrauch konsequent verfolgen